Finkhof-Chronik
Eine kleine Finkhof-Chronik
1971
Gründung der ersten Wohngemeinschaft auf dem Finkhof in Isny.
1975
Die Gemeinschaft beginnt, Geld für Schafe zu sammeln.
1976
Die Jugendwohngemeinschaft gründet eine Wanderschäferei, um ein freies, selbstbestimmtes (Arbeits-)Leben zu führen.
Strickwolle und Felle werden auf lokalen Märkten verkauft und sollen den Lebensunterhalt sichern.
Erster Auftrieb der Schafherde auf die Obere Mädele-Alpe bei Oberstdorf.
Der erste Film über den Finkhof wird gedreht.
1978
Am 30. November 1978 kommt es zur Gründungsversammlung der Schäfereigenossenschaft Finkhof eG.
1979
Zwölf Menschen arbeiten im ersten Geschäftsjahr der Genossenschaft und kaufen den Gasthof „Adler“ in Arnach.
Beginn des Verkaufs auf dem Weihnachtsmarkt in Stuttgart und auf dem selbstverwalteten Schwabinger Weihnachtsmarkt in München.
1980
Unter Beteiligung des Finkhofs entsteht die erste Ausgabe der "Betriebszeitung" als Beilage der TAZ.
Geburt des ersten Kindes auf dem Finkhof.
1982
Die Gruppe wächst auf 30 Menschen.
Der Verein „Hilfe zur Selbsthilfe e.V.“ unterstützt genossenschaftliche Projekte in Nicaragua.
1983
Auseinandersetzungen mit dem Alpenverein, der uns die Sommerweide streitig macht, führen zur Besetzung der Oberen Mädele-Alpe. Der "Allgäuer Schafskrieg" geht durch die Presse.
Der Hofladen in Arnach wird eröffnet. Wir lassen erstmalig dicke Finkhof-Socken aus unserer Wolle stricken. Sie werden in einer kleinen Strickerei maschinell gefertigt und sind – wie die Dicke Finkhof-Socken heute noch – schön dick und warm.
1984
„Die 3 Tornados“, eine anarchistische West-Berliner Kabarettgruppe, treten im Schafstall auf.
1985
Der erste kleine Versandkatalog wird gedruckt.
Mit der Fellnäherei entsteht ein neuer Arbeitsbereich, durch den auch beschädigte Felle zu schönen Produkten verarbeitet werden können. Viele Produkte von damals gibt es heute noch: Felldecken, die Spieluhren oder den beliebten Fahrradsattelbezug.
1986
Der radioaktive Fallout von Tschernobyl im April belastet Süddeutschland stark. Wir graben die oberste Schicht unseres Gartens ab. Unsere Herde wurde bereits im Februar geschoren. Wir kaufen keine Wolle dazu und wirtschaftliche Einbußen beim Fleischverkauf sind die Folgen.
1987
Die Gruppe schrumpft auf 12 Mitglieder. Im 25 km entfernten Haslach bauen wir zwei Folienställe auf, hier finden die Lammzeiten statt und Heu wird gemacht.
1988
Der Verein „Hilfe zur Selbsthilfe“ beginnt das Projekt "Kaffeeplantagenpflege mit Schafen" in Nicaragua.
1989
Wir bieten erstmalig Wollunterhemden für Kinder an.
Erster Internationaler Genossenschaftskongress auf dem Finkhof.
Ein Ladendienst für die Wintersaison wird eingerichtet.
1990
Im Versand wird der erste Computer angeschafft, der Karteikasten mit unserer handgeschriebenen Kundenkartei hat ausgedient.
Auf der Öko-Messe in Freiburg verkaufen wir unsere Schafsbratwurst als „Landschaftspflegewurst“.
1991
Wir beschäftigen unsere erste Angestellte in der Gastwirtschaft. Der Finkhof übernimmt für 7 Jahre die Gastronomie des Theaterfestivals in Isny.
Der erste durchgehend farbige Katalog mit 48 Seiten erscheint.
1992
Die Schäferei wird anerkannter Bioland-Betrieb. Die Gruppengröße steigt auf 24 Erwachsene und 8 Kinder.
Im Versand wird unsere zweite Angestellte eingestellt. Ein neumodisches Faxgerät komplettiert das Versand-Büro.
Nach dem Erfolg der Kinderunterhemden kommen auch Wollunterhemden für Erwachsene ins Programm.
Wir bauen unser Wohngebäude aus und bekommen Zentralheizung und Sonnenkollektoren.
1993
Permanente Auseinandersetzungen mit einer Vielfalt an Ideen, Fähigkeiten und Unfähigkeiten hält den Finkhof lebendig. Wir stellen uns die Frage: Hat diese Kommune noch eine gesellschaftliche Relevanz, oder ist sie vielleicht selbst schon ein eingeschliffenes Zahnrad im Getriebe der Gesellschaft. Geht es uns um das Lebensmodell, den Betrieb, das Gruppenleben oder um die Individualität des Einzelnen?
1994
Nach langwierigen Vorbereitungen gelingt es uns endlich, einen Strickpullover aus unserer eigenen Wolle stricken zu lassen: den Finkhof-Troyer! Bis heute ein Klassiker, der aus unserem Sortiment nicht mehr wegzudenken ist.
Wir investieren in unsere erste Telefonanlage, um die telefonischen Bestellungen besser entgegenzunehmen.
1995
Wir schließen unsere Gastwirtschaft und öffnen sie bis 2007 nur noch sporadisch.
Der erste Genosse aus den neuen Bundesländern wird Finkhof-Mitglied.
1996
Wir schrumpfen wieder: Die Gruppe umfasst jetzt 15 Erwachsene und 7 Kinder.
1997
1998
Nach fünfjähriger Diskussion entscheiden wir uns für eine Finkhof-Betriebsrente.
Wir gehen erstmalig mit einer Homepage online: www.finkhof.de.
Der Widerspruch zwischen Kollektiv und Individuum bestimmt unseren Alltag. Zeit der kleinen und großen Fluchten aus dem Kollektivalltag: nach Nicaragua, aufs Meer zum Segeln oder in die nächstgelegene Kreisstadt übers Wochenende.
1999
Wir feiern 20 Jahre Finkhof!
Der erste Katalog im quadratischen Format kommt heraus.
Unser Wohnhaus, der Gasthof Adler, wird verputzt und grün gestrichen.
2000
Die Gruppe wird kleiner, die Zahl der Angestellten steigt, was uns nicht ganz geheuer ist.
Der Küchendienst putzt, kocht, nimmt am Telefon Bestellungen entgegen und geht auch in den Laden, wenn Kunden klingeln.
2001
Wir bekommen eine Fotovoltaik-Anlage und werden Mitglied im IVN, dem Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft e.V.
Die Maul- und Klauenseuche geht an uns vorüber, hält unsere Schafe aber 6 Wochen in Quarantäne.
2002
Erstmalig werden einige Produkte mit dem IVN-Qualitätssiegel gekennzeichnet.
Der erste und bislang einzige Sommerkatalog – ein dünnes Heftchen – kommt heraus, weil wir im Winter zu wenig Kataloge gedruckt hatten.
2003
Unsere Gruppe schrumpft auf 10 Erwachsene, drei Jugendliche und zwei Schäferlehrlinge.
Wir stellen fest, dass unser Zusammenleben sehr eingespielt ist. Wir erkennen: Gruppenzuwachs wird dadurch schwieriger und ist auch nicht mehr unser Ziel.
Wir starten mit einem kleinen Angebot an Meterware. Den Lammflor gibt es schon seit 2001.
2004
2005
Der Versand bekommt einen kleinen Anbau: das „Vesperstüble“ mit Kaffeemaschine, damit das gemeinsame Frühstück mit den vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nicht mehr auf den Packtischen eingenommen werden muss.
Wir vergrößern den Laden. Im Gastraum unserer Gastwirtschaft richten wir im Winter einen ständigen Telefondienst ein.
2006
Ein Schäfer verlässt uns. Wir sind damit 9 Finkhof-Genossenschaftsmitglieder.
2007
Die Landwirtschaft wandelt sich durch EU-Verordnungen und Luftbilder im Internet. Tier-Kennzeichnungspflicht und Viehverkehrsordnung machen der Schäferei viel Arbeit. Um uns herum entstehen viele Biogasanlagen.
2008
Der Gastraum unserer Wirtschaft wird endgültig zum Stofflager sowie Zuschneide-Raum, und mit der Telefonzentrale im Winter zusätzlich zum "Callcenter".
Die Fotovoltaik-Anlage wächst auf 80 KW an.
2009
Wir feiern unser 30-jähriges Bestehen in Arnach.
2010
Zwischen "alten" Finkhöflern und "neuen" jungen Menschen werden Hierarchien deutlich, die es in einer Selbstverwaltung ja eigentlich gar nicht gibt. Wenn wir nicht in einer Kommune leben würden, könnte man sagen, es handelt sich um Generationenkonflikte.
2011
Wir vergeben die Kundennummer 100.000 und diskutieren, wie wir uns die Rentenzeit vorstellen.
2012
Mittlerweile erwachsene Finkhof-Kinder bekunden Interesse, ab 2018 den Versand zu betreiben.
2013
Der Katalog hat mittlerweile 160 Seiten. Wir setzen erstmalig das ganze Jahr einen Laden- und Telefondienst ein; der Küchendienst muss deshalb im Sommer nicht mehr im Laden arbeiten.
2014
Unser Internet-Shop wird verbessert und wir führen sechsstellige Bestellnummern ein.
Die Übernehmer – unsere Nachfolger – sind auf vier Menschen angewachsen, darunter zwei Kommunekinder.
Unser Stand auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt steht erstmalig vor dem Landesmuseum.
2015
Die Auswahl an schönen Naturstoffen inspiriert unsere Näherei, mit dem Rock „Stine“ eine kleine Kinderserie aus Strickwalk zu beginnen.
2016
Die Nachfolger entscheiden sich für das neue Warenwirtschaftssystem „Vario7“, um erstmalig eine elektronische Lagerführung einzuführen und den neu gestalteten Shop ins System zu integrieren.
2017
Zum 01. August wird auf das neue Warenwirtschaftssystem umgestellt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bewährt sich das scannergestützte Pick- und Packsystem im Versand.
Einige von uns ziehen sich aus dem aktiven Tagesgeschäft zurück und müssen durch neue Angestellte ersetzt werden.
2018
Wir verkaufen unsere Schafe, da wir die Schäferei selber nicht mehr umtreiben können und wollen. Zwei Schäferinnen, ehemals Auszubildende und Praktikantin bei uns, gründen eine neue Schäferei und nutzen unsere Flächen und den Stall in Arnach. Unsere zugekauften Fuchsschafe bilden einen Teil der Bioland-Herde der neuen Schäferei.
Unser Online-Shop gewinnt den Shop-Usability-Award für Nutzerfreundlichkeit.
40 Jahre Studentenbewegung und 200 Jahre Friedrich W. Raiffeisen – Vater der Genossenschaftsidee. Die 1968er-Bewegung führte zu weitreichenden sozialen Veränderungen in der Gesellschaft. Für Raiffeisen zählte das Wohl aller, nicht der Profit weniger. In diesem Geiste übergeben wir mit einem Fest die Schäfereigenossenschaft Finkhof eG in jüngere Hände.
Im Juli finden die Gründungsversammlungen für die neuen Genossenschaften statt. Ab 1. September 2018 organisieren sich die neun „alten“ Finkhöfler in der Wohngemeinschaft Finkhof eG.
Eine neue Ära beginnt. Oder wie Cicero gesagt haben soll:
Fang nie an aufzuhören! Hör nie auf anzufangen!
2019
Ein Jahr nach der Übergabe arbeiten einige der Finkhöfler noch mit im Betrieb und jeder einzelne steht uns glücklicherweise mit Rat und Tat zur Seite. Dankenswerterweise sind unsere langjährigen und erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Wechsel positiv und zuversichtlich begegnet! Schäfermeisterin Irina Lindemann führt die Bioland-Schäferei Falkenhof mit ihren Rhön- und unseren Coburger Fuchsschafen erfolgreich alleine weiter.
Seit Mai besitzen wir die IVN-Zertifizierung, wonach wir nun viele unserer Produkte mit dem Gütesiegel NATURTEXTIL IVN zertifiziert BEST ausloben dürfen - das ist der höchste Qualitätsstandard im Bereich Naturtextil. Ein wichtiger Schritt, auf den wir besonders stolz sind.
Im März hat der BR einen Beitrag über die Superfaser Wolle bei uns gedreht. Der SWR hat ebenfalls bei uns gedreht, und am 8. September einen Filmbeitrag über den Generationenwechsel am Finkhof ausgestrahlt.
Ende August veranstaltete der Finkhof einen Filmeabend in Arnach und zeigte anlässlich des 40jährigen Bestehens alte Videos über den Finkhof. Am nächsten Tag waren alle Arnacher und Finkhöfler zum Frühschoppen mit Weißwurst eingeladen, um gemeinsame Erinnerungen auszutauschen.
Im Spätsommer 2019 wurde im kleinen Ort Urlau, keine 20 km vom Finkhof entfernt, die Allgäuer Genussmanufaktur eröffnet. In dem als Genossenschaft organisierte Bürgerprojekt hat der Finkhof einen Laden mit einem Teil des Sortiments und eine Werkstatt zur Fellnäherei, wo man unseren Handwerkerinnen über die Schulter schauen kann, wie sie z. B. unsere Fahrradsattelbezüge nähen.
2020
Unsere Kooperation mit der Schäferei Falkenhof und die Zusammenarbeit mit dem lokalen Metzger weitet sich aus: wir verkaufen erstmals neben der Schafsalami auch Bio-Lammjäger sowie Rauchfleisch aus der Keule und Lende.
Das Corona-Jahr stellt vieles auf den Kopf. Das gemeinsame Miteinander kann nicht mehr so unbedarft gelebt werden - w i r g e h e n a u f A b s t a n d. Hygienekonzepte und Abläufe wurden von heute auf morgen angepasst. Wir nähen Stoffmasken. Die Saison wurde aber wie sonst auch geplant. Unsere langjährigen Lieferanten haben es uns gedankt. Die Genussmanufaktur in Urlau musste bereits nach wenigen Monaten coronabedingt wieder schließen. Hofladen und Marktstände wurden geschlossen und (begrenzt) geöffnet. Den Weihnachtsmarktstand in Stuttgart haben wir nach mehr als 40 Jahren nicht aufbauen können. Dieses in vielerlei Hinsicht schwierige Jahr 2020 ist für uns ohne Kurzarbeit und ohne schwere Erkrankungen in der Belegschaft gut vorübergegangen.
2021
Zusammen mit unserem neuen Partner entwickeln wir unsere neue Naturkosmetik. Mit viel Erfahrung, Wissen und Fingerspitzengefühl werden nun nur wenige Kilometer vom Finkhof entfernt feine Cremes und Balsame aus hochwertigen natürlichen Zutaten für uns hergestellt.
Als weitere Reaktion auf die andauernde Corona-Pandemie richten wir für unsere Mitarbeiter (sofern in den jeweiligen Arbeitsbereichen umsetzbar) Home-Office-Arbeitsplätze ein.
Die Wissenssendung für Kinder „Checker Tobi“ dreht einen Stoff-Check über das Thema Schafwolle und Wollstoffe bei uns.
Aufgrund der Flutkatastrophe wird auch die Wollwäscherei im belgischen Verviers, bei der wir unsere regionale Wolle waschen lassen, überflutet. Somit kann dort monatelang keine Wolle mehr gewaschen werden.
2022
Unsere Fellnäherei bezieht neue Räumlichkeiten. Das Felllager, die Sortierung und die Herstellung unserer hochwertigen Fellartikel sind nun im Nachbargebäude unter einem Dach vereint.
Der Klimastreik auf dem Finkhof geht weiter und wir schließen alle Geschäfte, gehen nicht mehr ans Telefon und schalten den Onlineshop ab.
Im Herbst müssen wir wieder Corona-Maßnahmen im Arbeitsschutz einhalten.